Donnerstag, 25. April 2013

Reviews: LOVE A, TURBOSTAAT, AFFENMESSERKAMPF

Sehr schlau von mir Reviews erst zu schreiben, wenn die Platten schon erschienen sind, von denen man die Promos hier schon seit Wochen rumfliegen hat. Eigentlich wären die folgenden Scheiben auch was für mein Fanzine gewesen, aber da ist leider in den letzten Wochen einiges gegen die Wand gefahren - und bevor hier alles untergeht vor lauter Neu- und Umstrukturierungen, bin ich einfach mal so frei über diesen Kanal meinen Senf dazu abzugeben. Weil es sich ja - nebenbei bemerkt - auch sämtlich um deutschsprachige Veröffentlichungen handelt ... und wenn die dämliche Intro neuerdings schon ein bekacktes "Deutschpunk-Special" macht, kann ich das schon lange, ha:

LOVE A - Irgendwie
LP, CD, digital | Rookie Records/Cargo | 13 Songs - 38:14 Minuten
Vorweg gesagt: Dieses Album läuft bei mir seit einiger Zeit ziemlich auf Dauerrotation. LOVE A Sänger JörKK kenne ich noch als geschätzten Kollegen vom Ox Fanzine und ich erinnere mich auch noch an seine alte Band ULTRAFAIR. Die hatten glaub ich damals das Vintage-Schlagzeug von ihrem Onkel Heinz für ihre Studioaufnahmen verschachert ... oder so ... ich denke mal solche Opfer werden LOVE A heute nicht mehr bringen müssen, denn die katapultieren sich mit "Irgendwie" locker ganz nach vorne in die deutsche Indie-/Postpunk-Liga! Nun muss ich für meinen Teil allerdings sagen, dass ich mich in den letzten Jahren eher wenig mit "Punk mit deutschen Texten" beschäftigt habe (dazu kann man LOVE A im weitesten Sinne noch zählen, finde ich), außer in regelmäßigen Abständen vor meinem EA80/DUESENJAEGER-Schrein zu beten. Daher hab ich das LOVE A Debüt "Eigentlich" auch irgendwie verpasst, ähem ... aber vielleicht liegt's genau daran, dass mir die neue Scheibe "Irgendwie" jetzt wie ein frischer Wind um die Ohren weht! Wunderbar! Zwar hab ich das böse Wort "Punk" da oben schon benutzt, aber im Grunde gehen LOVE A oft ziemlich "unpunkig" zu Werke. Wo andere Bands den Songzenit oft in einer Saitenschredderorgie suchen, spielt die Gitarre hier stattdessen eine ausgeklügelte Melodie. Also doch Pop? Warum nicht! Man verstehe mich nichts falsch, ich hab nichts gegen schreddern, aber wenn eine Band so gekonnt unverzerrte Melodien einsetzt und bei perfektem Arrangement trotzdem den funktionierenden Song nicht vergisst, finde ich das super. LOVE A machen das auf "Irgendwie" nahezu in Perfektion! Punk im Herzen, (Indie-)Eingängigkeit im Sound und natürlich darf auch die NDW-Referenz nicht fehlen - auch wenn LOVE A nicht so Berlin sind wie damals IDEAL und nicht ganz so genial minimalistisch wie die frühen TRIO. Auch textlich bietet die Platte höchstes Niveau: Smart, selbstironisch und humorvoll wird z. B. in "Der tausendste Affe" die deutschsprachige Popkultur der letzten 30-40 Jahre zerlegt. Daneben gibt's noch einiges mehr zu entdecken, denn wo andere Bands sich hilflos einen an der (Gossen-)Lyrik abbrechen, scheinen LOVE A sich das mal eben locker aus dem Handgelenk zu schütteln. Und die Textzeile "Du hast keine Ahnung, wofür mein Herz schlägt! Du hast keine Ahnung, wer ich bin!" könnte in diesem Jahr das Wasser auf die (Wind-)Mühlen der konformen/nonkonformen Indie-Hipsterjugend werden und zum 2013er-Tanzflächen-Shoutout mutieren. Aber das Ganze kommt halt nicht blöd rüber und wirkt nicht aufgesetzt. Emotional ja, aber nicht zum Selbstzweck. Viel mitgemacht, heart on the sleeve, man kann ja mal drüber reden ... oder singen! Es kann heutzutage nicht jede deutsche Band von sich behaupten, Texte zu haben, mit denen sich die Leute vom Teenie bis zum saturierten Ü30-Quitter identifizieren können. (Wobei ich hier natürlich nicht von DTH-Bierzeltpunk oder - noch schlimmer - Dumpfmuffenrock wie B.O./FR.WLD rede, hehe...) LOVE A könnte eine werden. Ich find's super! Eine der besten Platten im ersten Halbjahr 2013 bisher!


TURBOSTAAT - Stadt der Angst
LP, CD, digital | Clouds Hill/Rough Trade | 12 Songs - 42:49 Minuten
Ist ja irgendwie blöd, Platten miteinander zu vergleichen, aber die neue TURBOSTAAT kam bei mir zeitgleich mit der oben besprochenen LOVE A Scheibe an. Und da die LOVE A für mich direkt ein ziemlicher Gewinner war und ich die rauf und runter gehört habe, hab ich die neue TURBOSTAAT wohl etwas stiefmütterlich behandelt. Was aber keinesfalls heißen soll, dass die neue Platte der Flensburger schlecht ist! Mitnichten! Man bekommt die gewohnte TURBOSTAAT-Qualität - aber irgendwie ist die neue Platte auch anders. Liegt's daran, dass von den vielen maritimen Anspielungen auf "Stadt der Angst" wenig geblieben ist? Ich find's ganz gut, denn vielen Epigonenbands fiel ja offensichtlicht kaum mehr etwas anderes ein, als diese ganze Schiffs-/Seefahrer-Metaphorik von TURBOSTAAT zu klauen... So ein kantiger Startsong wie "Eine Stadt gibt auf" walzt auch erst mal düster alle romantischen Gefühle nieder - während die Band einen im weiteren Albumverlauf dann auch wieder auf altbewährte Weise an die Hand nimmt und das gute alte "TURBOSTAAT-Feeling" wieder entfacht. Insofern kann man das Ganze vielleicht mit der Situation vergleichen, wenn man einen alten Bekannten wiedertrifft. Eine Zeit lang nicht gesehen, erstmal zusammensetzen und erzählen, ein paar neue Sachen erlebt, erstmal drüber reden, es war halt nicht alles rosarot ... aber im Grunde ist er immer noch der gleiche liebenswerte Kauz wie vor einem Jahr, als du ihn das letzte Mal besoffen beim Meppener "Rock unter Linden" Festival gesehen hast... Und da standen TURBOSTAAT ja auch auf den Brettern. Vielleicht nicht ihre beste Platte, aber klar, immer noch 1. Liga, falsch machen kann man damit definitiv nichts.

AFFENMESSERKAMPF - Doch
LP + Download | Narshardaa Records | 12 Songs - 21:05 Minuten
Okay, an AFFENMESSERKAMPF geht natürlich als erstes mal der "Bester-Bandname-Award". Und mit "Doch" bringen die fünf Burschen auch gleich noch ein sackstarkes Album raus. Im Vergleich zu den hier ebenfalls besprochenen LOVE A und TURBOSTAAT liefern AFFENMESSERKAMPF definitiv die angepissteste Punk-Rotzigkeit in dieser Reviewsektion ab! Klar, bei (ex-?)TACKLEBERRY Mitgliedern darf man eine ordentliche Hardcorepunk-Kante erwarten, die hier gerne mal bedient wird (z. B. "Ein deutsches Herz hat aufgehört zu schlagen II + III"). Aber die Platte rockt auch ordentlich, wenn man's weiß kann man da durchaus raushören, dass Gitarrist Leif noch bei einer Band wie DIETER JACKSON spielt. Auch die schleswig-holsteinische Nähe zu TURBOSTAAT lässt sich irgendwie nicht verleugnen, kann aber auch sein, dass mich nur der Gesang da stark dran erinnert. Wie dem auch sei, AFFENMESSERKAMPF drehen alle diese musikalischen Zutaten ordentlich durch den Wolf, kochen ihr eigenes Süppchen daraus und garnieren das Ganze dann mit passenden Samples ("Nudelsalat") und sarkastischen Schlaumeier-Lyrics ("Du verdienst deinen Job | im Vodafone-Shop | und dein Job verdient dich!" oder "Nach dem Prinzip der Wiederaufforstung | könnte ich dir auch aufs Maul hauen | solange ich danach den Arzt bezahl'" oder "Ich muss nicht wissen was mir gefällt | solange ich weiß was ich verachte..." etc. pp.). Mit Songtiteln wie "Ich so,Typ: Romantischer Rebell" und "Oi! Spaziergang" kann ich mich natürlich auch von vorne bis hinten identifizieren, haha ... passt also wie Arsch auf Eimer.
Auch ansonsten sind die Jungs recht stilsicher, denn auch wenn ich das Plattencover etwas - ähm - "schlicht" finde, ist das Beiheft zur Platte als verschandeltes Rätselheft sehr cool aufgemacht und auch die Bandfotos (Achtung: Suchbild!) sprechen mich sehr an. Voll süße BOi!s im reifen Alter, echt! Außerdem haben die Sascha Hehn auf ihren Band-T-Shirts, damit kann man nur gewinnen (Anm. d. Red.: Es könnte sich bei näherer Betrachtung auch um Roland Kaiser handeln. Der verantwortliche Schmierfink wurde gefeuert!). Pick your king! Hatte ich erwähnt, dass die Scheibe recht flott ist? Kein Song knackt die 3-Minuten-Marke! Ich finde das sehr erfrischend, weniger ist ja manchmal mehr. Auch der Sound ist sehr gut, was ich jetzt noch mit unpunkigem Hintergrundwissen garnieren kann: Gemastert wurde die Platte nämlich von Henrik Jonsson in Schweden, der offensichtlich auch schon bei ROXETTE für den Sound verantwortlich war... Uijuijui, is datt noch Punk?!? Na ja, ich würde mal sagen AFFENMESSERKAMPF haben mehr Punk unter'm großen Zehnagel als halb Meppen im CD-Regal oder auf der Festplatte. Schließlich wurden die schon von einem erzürnten Frank Z. mit Kronkorken beworfen und haben verbotenerweise Rod G.'s Nobeltequila ausgesoffen. Deutschpunk-Connaisseure wissen jetzt natürlich um wen es sich handelt, der Rest hört bitte weiter BROILERS oder solchen Quatsch, haha... Die Erstauflage der Platte kam übrigens auch in schickem schwarz-weiß gesplattertem Vinyl, das zeig ich hier noch mal zum Angeben, weil ich ja sonst nix zu lachen hab. Was AFFENMESSERKAMPF betrifft: Geile Band, geile Platte, Punk Alter!

AFFENMESSERKAMPF: Doch LP (Erstauflage, Teppich nicht im Lieferumfang enthalten!)