Dienstag, 14. Juli 2015

Konzerte: "Redefluss" Poetry-Slam am Püntker's Patt - 11. Juli 2015 (inkl. SEMO und ELEKTRO STROTHMANN)

Der Meppener "Redefluss" Poetry-Slam am Püntker's Patt ging am Samstag, 11. Juli, in die vierte Runde. Dass das Event mittlerweile fest etabliert ist hat wohl auch der Wettergott mitbekommen, denn der Tag war ja mal mit so einem absolut geilen Sommerwetter ausgestattet, dass es eine wahre Freude war. Ich war auf jeden Fall schon ziemlich schweißgebadet als ich nach 15-Minuten-Fußweg ankam, haha...


Da man einen solchen "Open-Air-Abend" auf verschiedene Weise verbringen kann, gibt's diesmal von mir die kurzgefasste "Larifari-Variante" ... sprich: viel gesabbelt, gechillt, wenig aufgepasst, einfach nur laufen lassen. :)

Vor Ort angekommen hatte die Minus-Rockcity-Reisegruppe direkt 'n paar Slammer verpasst, aber gar nicht mal so viele wie bei vorangegangen Veranstaltungen. SEMO (das Akustik-Soloding von Sebastian Molleker von A PLACE TO FALL: www.facebook.com/semomusic7) war gerade am Musizieren und wir scannten die Location erstmal nach Bekannten ab. Wie immer war's richtig geil anzusehen wie der Platz wieder hergerichtet war. Viele Leute bereits vor Ort, es wurde gegrillt und natürlich gab's auch günstig Getränke und Cocktails. Very nice!

Letztendlich ließen wir uns in einer ziemlich "nassen Ecke" nieder, was so viel heißen soll, als dass da ziemlich viel getrunken wurde, haha... Außerdem war ein Hund anwesend der meinen Namen trug. Cooler Typ! Da der Wauwau aber ständig irgendwelche Scheiße baute wurde auch ständig energisch sein Name gerufen, worauf ich mich immer mit angesprochen fühlte. Die Verwirrung war also groß und das schränkte meine Aufmerksamkeitsspanne noch mal zusätzlich ein... Hä, watt'n Stress!


Was mir von den Slammern in Erinnerung geblieben ist war ein okayer witziger Text über die erschreckenden Zustände für Kindergartenpraktikanten. Und ein Vortrag über Gamer, bei dem ich am Ende ein bisschen Angst vor dem Slammer selbst hatte, der sich etwas exaltiert wie ein hysterischer Sheldon Cooper kurz vorm Amoklauf gebärdete... Puh, gruselig... Der Rest der Beiträge war dann das übliche Auf und Ab zwischen Hui und Pfui, zwischen witzig und ernst, bzw. von Themen die einen persönlich eher mehr oder weniger ansprechen in verschiedenster Umsetzung. Die Rezeption ist da ja eine vollkommen subjektive Angelegenheit, da will ich hier gar nicht so viel wertende Schlaumeierei reinschmeißen.

Moderiert wurde das Ganze übrigens wieder charmant gut vom Peterle vom "Jam". Zuerst sollte ich sogar noch als "Nummerngirl" auflaufen, aber da war jemand anderes so scharf drauf, dass derjenige in Sachen Bewerbung am Vorabend im Rockpalast schon ohne Hose rumstand. Respekt, so verdient man sich so einen Posten, da geb ich so eine verantwortungsvolle Aufgabe doch gerne weiter, haha! Keine Hose, keine Probleme...

Musik gab's auch noch, nämlich von ELEKTRO STROTHMANN (Elektro-Strothmann-Facebookpage), was mitnichten eine Elektropunkkapelle oder sowas war, sondern Markus aus dem Osnabrücker Land solo mit Akustikklampfe. Der war vorher u. a. bei BOOZED (kennt ja vielleicht noch der ein oder andere) und gab mit trocken-kauzigem nordwestdeutschen Humor ganz lustige Liedchen im Funny-van-Dannen-Style zum Besten. Fand ich sehr unterhaltsam! Der Song den ich auf Video bannen konnte kommt zwar etwas banal daher (da hatte er ein paar bessere im Repertoire, u. a. über Saufen und andere wichtige Dinge des Lebens), aber von dem Teil hier hab ich seit drei Tagen einen Ohrwurm, aaaaaarrrrrggggh...


Leider konnte ich den Herrn Strothmann nachher nicht mehr zum Gespräch abfangen, da ich noch 1-2 (für mich sehr peinliche) BOOZED-Anekdoten zu klären gehabt hätte. Osterrock Lindern und so, MöMa und ich je 2,5 Promille, lang lang ist's her... Vielleicht nächstes Mal, haha...

Mittlerweile war auch ein Kanu mit drei leicht bekleideten und offensichtlich sehr betrunkenen Personen eingetroffen. Da gab es in der "nassen Ecke" also einiges aufzuholen, womit wir auch sehr fleißig waren. Dementsprechend vernebelt sich meine Erinnerung hier etwas. Der ganze Trubel endete damit, dass eine nicht näher genannte männliche Person noch mit einer Dame Klamottentausch machte und fortan in einem hübschen Sommerkleid rumlief (keine Hose, keine Probleme... aber das hatten wir ja schon weiter oben festgestellt). Conchita Grinse sozusagen... ;) Problematisch war nur, dass die Dame die Sachen später nicht zurücktauschen wollte...

Irgendwie hat sich das dann aber auch noch geklärt, glaube ich... ELEKTRO STROTHMANN spielte noch ein paar Songs, auf der Slammer-Bühne wurde eine Siegerin gekürt (ich hab aber erst zwei Tage später erfahren wer überhaupt gewonnen hat, daher gibt es einen kompetenteren Bericht HIER zu lesen) und ich hab noch den allerletzten Cocktail an der Bar geschenkt bekommen. Keine Ahnung ob damit was nicht stimmte, jedenfalls war mir danach sehr wunderlich... Kann aber auch an den vielen Vitaminen gelegen haben...

Also: Redefluss war mal wieder 'ne feine kurzweilige Sache, auch wenn ich mich persönlich diesmal eher auf's Happening als auf die konzentrierte Verfolgung der Vorträge verlegt hatte. Beim nächsten Mal werden wir dann mit dem Schiff anreisen (wenn der Sohn des Eigners nicht wieder versagt) und säckeweise Crushed-Ice dabeihaben. Und Fischbrötchen! Geil!

So geht's weiter in den nächsten Wochen ... geht mehr auf Konzerte!!! (wer weitere Konzerttipps hat => gerne per Mail - kein Bullshit!):
  • 17. bis 19.07.2015: Abifestival Lingen
  • 14. bis 15.08.2015: Neon Fields Festival - Haren: Facebook-Festivalpage
  • 28. bis 29.08.2015: Kleinstadtfest Meppen: Facebook-Event
  • 16.10.2015: Read ’Em All - die METAL-Lesung - Jugendzentrum "Jam", Meppen: Facebook-Event
  • 25.10.2015: I Saw Daylight, My Defens, Mobina Galore - Jugendzentrum "Jam", Meppen
  • 04.03.2016: Kleinstadt-Comedy Vol. 2 - Windthorst-Theater, Meppen

Donnerstag, 9. Juli 2015

Reviews: SWAMPHEAD - Alive (CD)

SWAMPHEAD – Alive
CD | LandMusik/Reich und berühmt Musikverlag | 14 Songs - 50:52
Minuten | www.swamphead.de

Halleluja, das erste SWAMPHEAD Album ist da! Der erste Satz der mir zu der Scheibe einfällt ist wohl: "Gut Ding will Weile haben..." Erste Rohmixe gab es nämlich schon 2011, auch immer wieder neue Ankündigungen zum Release, aber dass es dann noch mal vier Jahre dauert bis das Dingen tatsächlich rauskommt ... puh! Ich dachte zwischenzeitlich schon das wird ein zweites "Chinese Democracy", haha...


Aber: Das Warten hat sich gelohnt, die Platte ist 'ne gute geworden! Was ja auch kein Wunder ist, da die Jungs aus circa 20 Jahren Songmaterial schöpfen konnten. Was mich auch schon zu der Frage führt: Muss ich auf einem "Emsland-Blog" zu SWAMPHEAD noch groß was sagen?!?

Also kurz abgerissen aus meiner (absolut subjektiven) Sicht: Mitte der Neunziger des vergangenen Jahrhunderts war die Band einer der wichtigen Stützpfeiler der Bandszene im mittleren Emsland. In Haren und Umgebung gegründet und anfangs noch unter dem Namen ALIVE unterwegs (schöne Referenz im Albumtitel übrigens) nannte man sich bald SWAMPHEAD und spielte in der Region förmlich an jeder Pommesbude. Jeder kannte sie, jeder mochte sie und mit ihrem schmissigen Grungerock (ich nenn das jetzt einfach mal so) waren sie auch richtig gut. So gut, dass man natürlich auch gerne den größeren Sprung wagen wollte - von der Musik leben und so... Es kam ein Management ins Spiel, überregionale Touren (u. a. mit den LEMONBABIES) und sie saßen sogar bei Enie van de Meiklokjes auf dem BRAVO TV Sofa (da bin ich mir aber nicht sicher, ob das jemals ausgestrahlt wurde, haha)...

Trotzdem blieben sie der Region treu, waren z. B. eng mit der Organisation vom "Nils Festival" in Versen verbandelt, lebten dort teilweise auf dem legendären Bauernhof, lagen vereinzelt mal auf der Veranda vom Meppener BACKWOOD CREATURES Häuschen rum und ließen sich die Nippel piercen und feierten immer fleißig die berüchtigten "Haren-Haar-Parties" bei Hubi's Oma auf'm Hof mit, hehe...

Die Band startete aber nicht so wirklich durch, so dass das Ganze sich irgendwie im Sande verlief. Ich weiß gar nicht ob es jemals eine offizielle Auflösung gab, aber Peter und Mücke (beide Gitarre) gingen irgendwann mit Hubi (Schlagzeug) nach Berlin. Dort sah man sie ein paar mal im Fernsehen (als Backingband für ROSENSTOLZ und irgendeinen Teenie-Star) bevor sie dann zu dritt EL*KE (nette Emsland-KFZ-Zeichen-Referenz) gründeten. Damit waren sie ein paar Jahre unterwegs, auch leidlich erfolgreich, aber irgendwann schloss sich auch dieses Kapitel.

Die Gebrüder Strodt blieben derweil im Emsland, Marco (Bass) dürfte einigen heute als Darsteller von "Opa Anton" bekannt sein während Chris (Gesang) immer mal wieder an verschiedenen Musik-Projekten beteiligt war. Nach dem Ende von EL*KE heuerte Mücke übrigens als zweiter Gitarrist bei MADSEN an, verbringt seine meiste Zeit aber wieder im Emsland, wo er mit FREE MAN (die ich hier auf dem Blog schon desöfteren unter ihrem alten Namen MAMAHARA abgefeiert hab) auch wieder eine cool-chillige Combo am Start hat. Peter ist immer noch in Berlin und mittlerweile Frontmann von BOLLMER bei denen Hubi (neben diversen anderen Bands, u. a. SERGE) auch Schlagzeug spielt.

Oh man, "kurz abgerissene Bandgeschichte" und jetzt wieder so'n Aufsatz, sorry, haha...


Zurück in die Gegenwart: Das Kapitel SWAMPHEAD wollten alle Fünf aber wohl nie so ganz ruhen lassen. Zwar gab es von der Band 1998 mal eine 4-Song-EP (gibt's als Free-Download auf der Band-Homepage) aber leider nie ein ganzes Album. Also haben sie bei Bandmentor Wolfgang "Buffy" Albers insgesamt 14 Songs eingespielt, von denen der jüngste auf 2011 und der älteste auf 1994 datiert. Und - zack - nach 20 Jahren Wartezeit gibt es nun die erste richtige SWAMPHEAD "Full-Length"!

Na ja, "zack" ist so dahingesagt, die Release-Verzögerung hatte ich ja schon eingangs erwähnt. Aber das Ergebnis entschädigt natürlich absolut. Die alten Ohrwürmer sitzen noch und bei einem Song wie "Perfect" fühle ich mich gleich, als stünde ich 1999 besoffen in der Mehrzweckhalle Herbrum vor der Bühne ... geiles Feeling, haha! Die "alten Veteranen" kennen das Gefühl und die jüngeren Semester checken das SWAMPHEAD-Album hoffentlich auch mal an. Hier gibt's keinen "Altherrenrock", das hier ist coole druckvolle Rockmusik mit leichtem Grunge/Alternative-Einschlag, guten Riffs, eingängigen Pop-Hooks, da kannste nix mit falsch machen... Von der Uptempo Bratznummer (z. B. "Lovely D.") bis zur Akustikschmonzette ("See How") alles dabei was das Herz begehrt. Gibt's auch bei iTunes und wie der ganze neumodische Scheiß heißt, die CD kommt aber im schicken Digipak.

Jetzt noch 'ne "20-Euro-Frei-Saufen" Release-Party mit Tequila-Bar in der Haren-Haar-Scheune und ich flipp vollkommen aus! Tut es!!! Rockpalast reicht aber evtl. auch... ;)

[Bombe]

Dienstag, 7. Juli 2015

Buch-Review: Andreas Müller - Schluss mit der Sozialromantik! (Buch)

Andreas Müller - Schluss mit der Sozialromantik! Ein Jugendrichter zieht Bilanz
Taschenbuch | Verlag Herder | September 2013 | 240 Seiten | ISBN-10: 3451309092 / ISBN-13: 978-3451309090

Nanu, ein Buch von einem Jugendrichter? Was soll das auf dem Minus-Rockcity-Meppen Blog? Na ja, der/die ein oder andere wird vielleicht wissen, dass Jugendrichter Andreas Müller nicht nur aus Funk und Fernsehen (diverse Talkshows, Expertenrunden, Interviews etc.) bekannt ist, sondern gebürtig aus Meppen kommt. Und "Meppen" (ich benutze den Begriff jetzt einfach mal abstrakt personal, da ich in letzter Zeit auch immer von "Typisch Meppen" usw. lese ... es scheint hier also wohl sowas wie eine angenommene Schwarm-/Kollektivintelligenz zu geben) rühmt sich ja gerne der Söhne und Töchter der Stadt, die es zu was gebracht habe - selbst wenn die schon längst nicht mehr hier leben, da unser schöner kleiner Ort nun mal nicht die absolut steilgeilen Karrieremöglichkeiten bietet und man besser wegzieht wenn man was aus sich machen will. Meppener bleibt man aber offensichtlich lebenslang...

Andreas Müller: Schluss mit der Sozialromantik! (Der Einband hat beunruhigende Ähnlichkeit mit Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab", davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen...)
Bei Andreas Müller verhält es sich so, dass er als Jugendrichter in Bernau (in Brandenburg, direkt bei Berlin) gelandet ist und dort seit den Neunzigern einige aufsehenerregende Prozesse im Jugendstrafrecht geführt hat und nebenbei auch durchaus (wie eingangs erwähnt) medienaffin in der Öffentlichkeit agiert, also auch öfter mal im Fernsehen auftaucht wenn es um entsprechende Themen wie Jugendstrafrecht geht. Aufgrund seiner Meppener Wurzeln lasse ich ihm jetzt auch mal die Ehre einer Buchbesprechung auf dem Minus-Rockcity-Blog zuteil werden, da er mit "Schluss mit der Sozialromantik!" vor nicht allzu langer Zeit ein relativ vielbeachtetes Buch geschrieben hat.

Wer bei Justizthemen jetzt an dröge Gesetztestexte denkt, die sowieso kein Normalsterblicher versteht, der sei beruhigt: Das gesamte Buch ist absolut verständlich und bodenständig geschrieben. Speziell wenn Müller z. B. mal wieder davon berichtet, wie er in seinem Kiez Bier trinken war "menschelt" es immer sehr. Wie ich so hörte ist er auch desöfteren noch mal in Meppen am Bier trinken, da hab ich ihn aber immer verpasst. Ärgerlich...

Ärgerlich deshalb, weil Müller rein persönlich ein sehr interessanter Mensch zu sein scheint. Ihm eilt durch seine teils harten Urteile immer wieder der Ruf als "Richter Gnadenlos" voraus, was er in dem Buch aber ganz gut relativiert. Er bringt sehr viel Persönliches ein und man merkt, dass sich hier ein Typ äußert, der absolut für seinen Beruf brennt.

Was den Inhalt des Buchs betrifft fällt natürlich zunächst mal der ziemlich plakative Titel auf. Gepaart mit Müllers Ruf als "hartem Hund" könnte man bei "Schluss mit der Sozialromantik!" natürlich erstmal meinen, dass er hier die absolute Keule gegen jugendliche Straftäter schwingt. Dem ist aber nicht so! Denn der Begriff "Sozialromantik" hat bei ihm zweierlei Lesart:
  1. Die "weiche" linke Sozialromantik, auf die der Titel sicher auch abzielt. Sprich: Milde, statt Arrest oder Jugendhaft immer wieder erzieherische (ambulante) Maßnahmen, Sozialstunden etc.
  2. Das genaue Gegenteil, nämlich die "harte" rechte/konservative Sozialromantik: kompromisslose stationäre Maßnahmen wie Arrest, Freiheitsentzug, verschärfte Jugendstrafen etc. oder z. B. auch Warnschussarrest als "Allheilmittel".
Müller zeigt in seinem Buch recht deutlich die negativen Seiten beider Sichtweisen auf. Basierend darauf fordert er eine Reform des Jugendstrafrechts mit besser durchdachtem und organisierterem Eingreifen. Er sieht das deutsche Jugendgerichtsgesetzt zwar generell als gut an, allerdings könnte es seiner Meinung nach stellenweise besser gemacht werden.

Das Ganze handelt er an einem Schwung von Fallbeispielen aus seiner Richterlaufbahn ab, die derzeitige Probleme von Jugendrichtern und Gerichten relativ deutlich machen: Zeitmangel der Richter, so dass wirklich sorgfältiges Arbeiten kaum möglich ist. Und was für mich als Nicht-Fachmann im Bezug auf Strafjustiz besonders erschreckend war: Die offensichtliche Langsamkeit und fehlende schnelle Informationsweitergabe der staatlichen Stellen an den Schnittstellen zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten. Die offensichtlich mangelnde Kommunikation/Vernetzung und/oder Verantwortungsgerangel staatlicher Stellen (vor allem bei Intensivtätern) stimmt schon bedenklich ... passt aber irgendwie auch ins Bild, das manch einer von deutscher Bürokratie hat.

Müller hangelt sich recht anschaulich an seinen "Lieblingsthemen" entlang, um genau zu sein Rechtsradikalismus/Ausländerfeindlichkeit (den er in seinem richterlichen Zuständigkeitsbereich Bernau stark eindämmte) und vor allen Dingen dem Umgang mit Intensiv- und Wiederholungstätern. Dabei legt er nachvollziehbare Instrumente dar, die in dem Bereich wünschenswert wären, wie z. B. Generalprävention im Täterumfeld (Signal an die "Szene" um gewisse Täter, dass schnell, effektiv und hart gegen sie vorgegangen wird) und auch "Erziehungsrichter" (die sich z. B. ggf. um Problemfamilien kümmern und kriminellen Karrieren vorbeugen).

Ein "Nebenschauplatz" sind auch seine Ansichten zur Entkriminalisierung von Cannabis, die der/die ein oder andere sicher auch interessant und sinnvoll finden könnte, so er/sie denn kein dogmatischer Verfechter der "rechtskonservativen Sozialromantik" ist... Aber in Meppen fordert ja sogar schon die FDP eine Cannabis-Legalisierung, haha...

Die grundsätzliche Stoßrichtung des Buches ist also kein "Strafe um jeden Preis für jugendliches Gesindel", sondern eine nach meinem Verständnis durchaus moderate und an Beispielen belegte Forderung nach besseren Instrumenten im Jugendstrafrecht. Nach Müllers Verständnis müssen die Richter mit diesem vernünftigen Handwerkszeug dann angemessen umgehen. Manchmal hart (bei Wiederholungs-/Intensivtätern), manchmal eben mit gewisser Nachsicht. Härte des Gerichts darf kein Selbstzweck sein und es gibt auch kein Patentrezept zur Anwendung von Milde oder Härte. Es muss in jedem einzelnen Fall mit Vernunft und Augenmaß geurteilt werden und Jugendlichen muss generell mit Zuwendung aber auch mit Konsequenz und Klarheit begegnet werden.

Im Grunde genommen Selbstverständlichkeiten sollte man meinen, aber Müller legt in seinem Buch halt dar, dass es an einigen Stellen in der deutschen Strafjustiz wohl doch ziemlich hapert. Beruhigend auch, dass er sich der tiefgreifenden Auswirkungen die sein Richterurteil auf Täter haben kann sehr bewusst zu sein scheint, aber auch der Verantwortung die er gegenüber den Opfern hat. Da kann man nur hoffen, dass seine Richterkollegen in der Bundesrepublik ähnlich selbstreflektiert sind.

Stichwort Richterkollegen: Einen nicht unerheblichen Teil von Müllers Buch nimmt auch die Richterin Kirsten Heisig ein, die seit 2001 wichtige Mitstreiterin in seinen Standpunkten war. Sie war Begründerin des "Neuköllner Modells" die ebenso kompromisslos gegen Berliner Intensivtäter mit Migrationshintergrund vorging wie Müller gegen die rechtsradikale Szene in seinem Bezirk Bernau. Im Jahr 2010 beging Heisig Selbstmord, ein Fall der auch durch die Presse ging.

Da kommen wir auch an einen Punkt wo Müller in seinem Buch förmlich die Hosen runterlässt, ums mal flapsig zu sagen: Er streut immer wieder persönliche Geschichten ein und berichtet auch recht freimütig und ehrlich von seinen Schwächen und Problemen. Speziell seine Jugend in Meppen war nicht immer leicht, da er einen alkoholkranken Vater und einen drogensüchtigen Bruder hatte. Nicht unbedingt die einfachste Konstellation, wie sicherlich der/die ein/e oder andere nachvollziehen kann, der/die ebenfalls in diesem ländlichen Milieu groß geworden ist. Richtig schlucken musste ich dann als Müller über seine späteren psychischen Probleme wegen Überarbeitung und daraus folgernde Depressionen erzählt.

Alles in allem ein sehr interessantes Buch mit klaren Standpunkten. Es ist natürlich festzustellen, dass Müller sich teilweise auch in seiner Rolle als "unkonventioneller und unbequemer Gegen-den-Strom-Schwimmer" gefällt, aber solche Leute braucht man wahrscheinlich auch um Veränderungen anzustoßen. Ob solche Veränderungsforderungen in einer bundesdeutschen "Ära Merkel" (die nach meinem Empfinden eher auf Stillstand bzw. Wahrung des Status Quo ausgerichtet ist) in der Politik nicht eher auf taube Ohren stoßen steht wohl auf einem anderen Blatt...

Wer sich jedenfalls mal mit den angesprochenen Themen auseinandersetzen möchte, dem kann ich für das Buch vom Herrn Müller durchaus eine Leseempfehlung aussprechen. Mal gucken ... vielleicht treffe ich ihn ja doch noch mal des nächtens an irgendeinem Meppener Tresen, dann kann man vielleicht noch den ein oder anderen Punkt besprechen, haha...

[Bombe]